Heute geht es um zwei Klassiker und einen Bonus, die meiner Meinung nach in keiner fotografischen Bibliothek fehlen sollten. Unsere Freundin Gaby Ahnert zitiert gelegentlich einen Professor aus ihrem Studim, der da sagte: "Bilder entstehen aus Bildern". Für uns AmateurfotografInnen ist es also unerlässlich, im weiteren Sinne über eine Bibliothek von Bildbänden zu verfügen. Jetzt stellt sich oft die Frage: Wo fang ich an? Eine Übersicht ist also ein erster Schritt!
Analog zu Kompilationen, Samplern in der Musik gibt es Bücher, die einen Querschnitt abbilden. Mit den hier dargestellten Büchern können wir durch die Epochen und Genres der Fotografie "reisen" und dabei gleich herausfinden, welche Art Fotografie uns liegt und mit welchen FotografInnen wir uns eingehender befassen wollen. Eine hervorragende Grundlage für jede Bibliothek!
Das erste Buch ist "Meisterwerke der Fotografie" von Bernd Stiegler und Felix Thürlemann. Die beiden haben ein über 330 Seiten starkes Taschenbuch zusammengetragen, das vom ersten Fotogramm (vermutlich Thomas Wedgwood) bis zu Fotografien der Neuzeit (Dennis Stock, "Sammlerauto") konsequent die Geschichte der Fotografie mit all seinen (Um-)Wegen abbildet. Ein Streifzug durch ein Stück Geschichte der Menschheit, die auf die Weise auch den Wandel des Mediums, respektive des Werkzeugs, zeigt. So verändern sich die Bilder mit der Möglichkeit kürzerer Verschlusszeiten, die Entstehung der Reportagefotografie ist ebenso abzuleiten wie die Emanzipation der künstlerischen Fotografie und die Blüten, die sie trieb. Es gibt viel zu Staunen und eben auch zu lernen von diesem kleinen, feinen Büchlein: Es hat die Maße wie postkartengroßes Fotopapier: 10x15cm und auch der Preis ist keine Ausrede, es nicht zu haben. Riskieren wir einen Blick hinein!
Nach einer kurzen Einleitung geht es schon los, auf der linken Seite ist das Bild abgedruckt, auf der rechten Seite ein Text, der das Bild erläutert. Außerdem lassen sich jedem Text kostbare Verweise auf ZeitgenossInnen und auf entstandene Bücher entnehmen, es gibt Hinweise auf besondere Techniken und beschrittene Wege, die aufmerksamen Lesenden als Inspiration für die eigene Fotografie dienen können. Der Text ist bisweilen etwas "akademisch", leichte Sprache geht anders - aber dafür gibt es viel zu erfahren. Außerdem ermöglichen sie einen einfachen Zugang zur Einordnung, man kann sich auch ohne große Vorkenntnisse der Geschichte der Fotografie schnell zurecht finden.
In dieser Größe ist es perfekt als Begleiter im Alltag: In der Mittagspause vielleicht, beim Warten auf den Bus, vor dem Schlafengehen ist noch schnell eine Seite gelesen. Zu beziehen ist das Buch im lokalen Buchhandel oder direkt beim Verlag, es kostet 13€.
"Meisterwerke der Fotografie" von Bernd Stiegler, Felix Thürlemann - Reclam Verlag, ISBN 978-3-15-018763-0
Das zweite Buch ist in jeder Hinsicht ein Schwergewicht: Mit meinen Notizzetteln darin wiegt es 1417 Gramm, bei taschenbuchkompatiblen Außenmaßen - eben prall gefüllt mit AkteurInnen aus 100 Jahren Fotografie. Naja, nicht ganz, die Erstauflage ist von 1996. Ist ja klar, das braucht Platz!
"Photographie des 20. Jahrhunderts"
Geschrieben haben es Reinhold Mißelbeck und andere AutorInnen vom Museum Ludwig Köln, aus dessen Sammlung dieser Band zusammengetragen wurde.
Hier werden den FotografInnen gleich mehrere Seiten eingeräumt. Wie in den "Meisterwerken der Fotografie" gibt es hier einen Text, der ebenso bei der Einordnung behilflich ist und Verweise auf Werke bietet, sich insgesamt aber mehr auf die Biografie der KünstlerIn beschränkt. Dafür sind mehr Bilder abgedruckt, teilweise ganzseitig. Das macht es leichter, sich in das Werk der FotografInnen zu finden und dabei für sich herauszufinden, was einem liegt.
Auf über 750 Seiten finden sich hier internationale Titan*ide der Fotografie Seite an Seite mit weniger bekannten KünstlerInnen, die vielleicht eher in Nuancen die Geschichte der Fotografie geprägt haben, aber dennoch ihren Platz erarbeitet haben.
Und das ist das Bemerkenswerte: Die ersten ~60 Jahre Fotogeschichte fehlen hier vielleicht, dafür ist der Eindruck der Fotografie ab 1900 umfassender, enthält mehr Experimente und bisweilen schräge Ausprägungen. Im Vergleich zu den "Meisterwerken der Fotografie" ist hier auch zeitgenössische Fotografie vertreten. Schauen wir mal 'rein!
In alphabetischer Reihenfolge sind die FotografInnen nach ihren Nachnamen aufgeführt, zwischen einer und meheren Seiten, abhängig vom œuvre. Es gibt zu allen KünstlerInnen viele Abbildungen in
Schwarzweiß und Farbe.
Am Seitenrand gibt es Infos zu (Künstler-)Namen, Geburts- und gegebenfalls Sterbeort, auf der Seite selbst die Biografie und Angaben zu den abgebildeten, reproduzierten Fotos, die sich in der Sammlung des Museums Ludwig befinden. Da steht also die Größe des Abzugs und das verwandte Material sowie der Ursprung.
Ich empfehle dringend, bei der Lektüre Haftnotizzettel zur Hand zu haben, denn es gibt hier unglaublich viel zu entdecken. Es muss viel Zeit und Mühe gekostet haben, dieses Buch zusammenzustellen. Ich finde, es ist eine Schande, dass es nur noch antiquarisch zu bekommen ist, denn allzu viele Kompilationen, vor allem mit diesem Umfang, gibt es nicht.
Wie dem auch sei, wenn ich mich recht entsinne, habe ich mein englischsprachiges Exemplar in einem Bremer Antiquariat gekauft, es gibt immer wieder welche in Internet-Auktionshäusern und auch im Second-Hand-Shop im Internet. Falls es keine deutschsprachigen Exemplare gibt, lohnen sich auch welche in Englisch, allein die Fülle der Bilder rechtfertigt schon den Kauf. Und da die Texte meist nur aus 1-3 halben Seiten bestehen, kann man sich auch mit Schulenglisch und Wörterbüchern oder entsprechenden Apps gut behelfen. Zu finden ist es, wie gesagt, im Antiquariat, im Internet-Auktionshaus und -Second-Hand-Shop. Es hat neu 15€ gekostet, gebrauchte Exemplare sollten also darunter liegen, ~12€ scheint nach kurzer Recherche ein realistischer Preis zu sein.
"Photographie des 20. Jahrhunderts" Museum Ludwig Köln von Reinhold Mißelbeck et al. - Benedikt Taschen Verlag
EAN 9783836541039
Jetzt gibt's noch einen kleinen Bonus für die kreative Fotografie: The Photographer's Playbook. Vielleicht noch kein Klassiker, aber spannend auf alle Fälle! Hier sind keine Bilder abgebildet, es sind Ideen für kreatives Arbeiten mit und ohne Kamera, es geht auch um kreative Gewohnheiten. Es ergänzt die oben dargestellten Bücher um die praktische Komponente.
Jason Fulford und Gregory Halpern haben hier 307 Aufgaben von ungefähr ebenso vielen FotografInnen und Kreativen zusammengetragen. In den Texten berichten sie zum Teil vom Studium, von Ideen berühmter FotografInnen und viel auch aus dem Alltag.
In diesem Buch gibt es für alle Bedürfnisse die richtige Aufgabe, von kurzen Fingerübungen bis langen Projekten findet hier jede/r das Richtige. Ein Buch zum Stöbern - und das ist angenehm, hier gibt es keine direkten Handlungsanweisungen, sondern Ideen, die man als Grundlage für eigene Ziele gebrauchen kann. Mal sind die Texte nur einen Absatz lang, mal über Seiten, vielleicht nur ein Zitat und vielleicht eine ganze Welt. Schauen wir mal 'rein!
Oben auf der Seite wird immer die Person, die befragt oder zitiert wurde, genannt, dann folgt der Text. Es ist hier, wie gesagt, nicht wie in anderen Büchern, bei denen es klar definierte Aufgaben gibt, die abgearbeitet werden müssen. Hier müssen sich Lesende selbst bedienen und was daraus machen! Auf eine ähnliche Weise sind wir zur Challenge gekommen, also wird uns dieses Buch bestimmt auch bald Inspiration sein, wenn wir wieder zu der Form der Vor-Corona-Zeit finden...
Im Anhang gibt es die Biografien der Personen, die am Buch mitgewirkt haben. Die meisten davon leben noch und arbeiten in den USA (aber auch im Rest der Welt), daher sind nicht so viele Superstars der Fotografie vertreten. Ich finde das ganz sympathisch, denn die berühmten Zitate braucht niemand mehr neu zu veröffentlichen. Viel mehr gibt es über das Buch nicht zu sagen, um damit zu arbeiten, muss man es wohl in Händen halten. ABER! Einen Haken hat die Sache: Das Buch ist komplett auf Englisch, eine übersetzte Fassung konnte ich nicht finden. Bekommen kann man es jedenfalls über den Buchhandel oder im Internet. Es kostet bei Aperture $19,96.
"The Photographer's Playbook" von Jason Fulford und Gregory Halpern, Aperture Foundation, ISBN 978-1-59711-247-5 52495
Viel Spaß bei der Lektüre dieser Bücher!
/ab
Kommentar schreiben