Photohaven Buchclub: Sebastião Salgado

Unser Sven hat seine erste Rezension geschrieben! Sebastião Salgado ist den meisten Fotofreaks bekannt, ein zeitloser Klassiker! Sven schreibt:

Wiederentdeckt: Sebastião Salgado - Fotograf mit langem Atem

 

Wenn man sich nach vielen Jahren wieder mit den Fotografie-Idolen seiner Jugend beschäftigt kann das entweder eine Bestätigung der damaligen Auswahl sein oder man stellt fest, dass dieser Sockel nicht mehr standhält. Sebastião Salgado hat über die Zeit gar nichts eingebüßt, im Gegenteil.

 

Die Film-Dokumentation „Das Salz der Erde“ stammt von Wim Wenders und Salgados Sohn (Co-Regie). Der Film stellt die großen, langjährigen Projekte Salgados anhand ihrer archaischen Schwarz-Weiß-Bilder vor: Arbeiter (1993), Exodus (2000) und Genesis (2013). Allein am Genesis-Projekt hat Salgado acht Jahre lang gearbeitet. Eine irgendwie kaum vorstellbare Zeitspanne, die für die anderen Projekte ähnlich war. Seine Photos transportieren diese Zeitüppigkeit, indem sie aufgrund ihrer Motive zu Zeiten des alten Testaments aufgenommen sein müssten: siehe die Hunderte von Arbeitern im Schlamm der riesigen Tagebau-Goldminen, der erschöpfte kanadische Feuerwehrmann, der in Kuweit im sprudelnden Öl einer endlich abgedichteten Ölquelle liegt oder der alte Fischer, der auch aus einem Hemingway-Buch gefallen sein könnte.

 

Das Arbeiter-Projekt kann man noch gut aushalten, ja, das sind toughe Bilder, die extrem harte körperliche Arbeit in kontrastreichem Schwarz-Weiß zeigen, aber er lässt den Arbeiter stets intakt. Häufiger, warum auch nicht, erhöht er ihn durch die Wahl der Perspektive. Wim Wenders sagt, dass Salgado mit seinem wirtschaftswissenschaftlichem Studium immer auch die volkswirtschaftliche Dimension bei seinen Fotoprojekten im Hinterkopf hatte. Wenders müsste das nicht so getragen betonen, aber im Kern hat er wohl Recht.

 

Exodus dagegen ist eine Zerreißprobe, aktueller denn je: Hunger, Krankheit, endlose Zeltlager und Tod an wirklich jeder Ecke. Es ist kaum zu ertragen. Auch weil wieder nicht das spektakulär aufblitzende Sensationsbild gemacht wurde sondern das für Flucht und Migration stellvertretende, zeitlose Photo gesucht und in den sechs Exodus Jahren auch auf den Punkt realisiert wurde.

 

Salgado spricht die meisten Kommentare zu seinen Projekten selbst im Film. Sehr ruhig und schnörkellos. Die Frage, was nach Exodus noch kommen kann, ist erstmal offen. Salgado will als Nächstes die Erde dokumentieren und da läge es bei der bisherigen Ausrichtung nahe das Zerstörte aufzuzeigen. Aber er entscheidet sich anders: „In GENESIS sprach die Natur durch meine Kamera zu mir. Und ich durfte zuhören.” Er findet einen unglaublich schönen mit den vorherigen Wunden versöhnenden Ansatz das wundervolle der Erde zu photographieren: die panzerbewehrte Krallenhand einer riesigen Echse, die ihn an den metallischen Handschuh eines mittelalterlichen Ritters erinnern, das überschaubare Eskimovolk, was eine Herde von 18.000 Rentieren beaufsichtigt und deren Anoraks mit Fellkapuzen sie wie Adelige erscheinen lassen oder die wundervollen, bis zum Horizont reich bewaldeten Berge und Wasserfälle seines Heimatlandes Brasilien.

 

Und hier schließt sich sein Lebenskreis, der so hart als „Sozial-Fotograf“ begann: Salgado gründete mit seiner Frau das Instituto Terra zur Aufforstung zerstörter Regenwälder in Brasilien. Als langjähriges Forschungs- & inzwischen Musterprojekt, was aufzeigt das selbst Regenwald wieder aufforstbar ist, wenn man denn konsequent in Salgado-Projektlaufzeiten denkt. Und wie bitteschön sollte es auch anders gehen.

 

 

 

Das Salz der Erde“ ist als DVD/ Blu-Ray über den Buchhandel erhältlich.

 

Der Band Arbeiter/ Workers neu ab 63- €, Erstausgaben antiquarisch ab 150,- €

 

Exodus (dt. Titel Migranten) neu ca. 50,- € und Genesis neu ca. 60,- €.

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Rüdiger Schaffenberg (Samstag, 30 Mai 2020 21:44)

    Sehr guter Beitrag, der Lust macht, mehr über den Künstler zu erfahren und zu sehen! Danke Sven�